Von der Mittelmosel zum afrikanischen Kontinent

02. Juni 2016

Zell. Augenärzte zum Hilfseinsatz in Tansania - Hakuna Matata in Mbeya

Im März starteten Augenarzt Dr. Andreas Künster, Optikermeister Hans-Peter Platten und die Med. Fachangestellten Heike Seiberling und Marion Muszarsky vom Verein Kids´ and Poors´ Eyes International e.V. zu einem ersten augenärztlichen Hilfseinsatz nach Tansania. Ziel war eine kleine Augenabteilung am Regional Hospital in Mbeya im Süden Tansanias. Mbeya, einem Ort mit ca. 300.000 Einwohnern in 1.700 m Höhe, ca. 120 km von der Grenze zu Malawi im Süden Tansanias entfernt. Der Einzugsbereich der Stadt umfasst eine Bevölkerung von ca. 3 Mio Menschen. Es gibt als primäres Gesundheitszentrum das Mbeya Regional Hospital, das die Primärversorgung leistet, ferner das Referal Hospital, an das von mehreren Kliniken der Region die komplizierteren Fälle überwiesen werden.

Vor ca. drei Jahren hat Dr. Fariji Killewa, Assistant Medical Officer, am Regional Hospital eine kleine Augenabteilung gegründet. Die apparative Ausstattung ist spärlich, teilweise auch nur ausgeliehen. Dieser erste Einsatz in Tansania sollte einem ersten Kennenlernen der Gegebenheiten vor Ort dienen und zugleich ein Screening von Schulkindern der umliegenden Schulen beinhalten, um Erkrankungen und Fehlsichtigkeiten aufzudecken bzw. durch Brillenanpassungen zu korrigieren. Dazu wurde der einheimische Kollege mit seinem medizinischen Hilfspersonal um ein Vorscreening gebeten, damit dem Team von der Mittelmosel lediglich die auffälligen Kinder vorgestellt werden konnten.

Schon der Empfang war sehr herzlich und freundschaftlich. Das Vorscreening hatte Dr. Killewa mit seiner Mannschaft sehr zuverlässig und perfekt in sechs umliegenden Schulen durchgeführt. Am ersten Tag besichtigte das deutsche Team die verschiedenen Abteilungen des Hospitals. Hier offenbarte sich schon der Mangel an vielen Dingen in allen Bereichen. Zu Dr. Killewas Klinik gehören ein Optiker mit zwei Assistentinnen sowie vier Krankenschwestern. Der Optiker fertigt – ganz von Hand, ohne funktionsfähiges automatisches Schleifgerät - nur Brillen aus mineralischen Gläsern an. Kunststoffgläser sind nicht verfügbar. Ebenso gibt es bestenfalls Bifokalbrillen, keine Gleitsichtbrillen. Die verfügbaren Brillengestelle beschränken sich auf wenige einfache Standardmodelle.

Zu den ersten Untersuchungen erschienen die Schüler, die beim Screeningtest mit einer Sehschärfe kleiner/gleich 0,8 auffielen oder Augenerkrankungen in der Familie oder in der Vorgeschichte hatten oder Beschwerden angaben. Auch im Outpatient Department sahen sich Dr. Künster und sein Team gemeinsam mit Dr. Killewa Patienten an, um einen Einblick in seine Arbeit und sein Patientenspektrum zu bekommen. Dabei fielen bemerkenswert viele Patienten mit Grünem Star im Endstadium, ferner mit Hornhautnarben und degenerativer Netzhauterkrankung auf. Besonders beeindruckend war eine Patientin, die sich mit überreifem grauem Star an beiden Augen vorstellte, an einem Auge war die Linse bereits in den Glaskörperraum abgesunken und der Sehnerv aufgrund der resultierenden Entzündungsreaktion mit Augeninnendrucksteigerung komplett zerstört.

Üblicherweise wird in Mbeya bei einer Operation des Grauen Stars eine Standard-Linse mit Werten zwischen 20 und 22 dpt eingesetzt, da eine individuelle Bestimmung der Linsenstärke aufgrund fehlenden Instrumentariums nicht möglich ist.

Am zweiten Tag ging es zu einem Hausbesuch in eine ca. 25 km entfernte Mädchenschule, die Harrison Uwata Girls School, einer Privatschule in kirchlicher Trägerschaft mit rund 700 Schülerinnen. Das vorangegangene Screening hatte 42 Patientinnen ausgewählt, von denen 37 eine Brille erhielten. Der Arbeitstag musste um 20.00 Uhr bei einbrechender Dunkelheit beendet werden, da die Raumbeleuchtung nicht ausreichte.

Der dritte Tag begann zunächst mit einer Besichtigung der Augenabteilung des Referral Hospital von Mbeya gemeinsam mit Dr. Ntomoka und Dr. Barnabas Mshango. Danach folgte wieder ein Hausbesuch. Dieses Mal war die Mwene Primary School mit rund 825 Schülern das Ziel, die in einem ärmlichen Viertel liegt. Die Primary School umfasst in Tansania sieben, die weiterführende Secondary School, die zur Allgemeinen Hochschulreife führt, sechs Jahre. In der Mwene Primary School mussten zunächst Stromkabel verlegt werden, um die benötigten Diagnosegeräte anzuschließen, da der zur Verfügung gestellte Klassenraum keinerlei Elektroanschluss besaß. Einige Fensterscheiben waren gesprungen, der Fußboden wies mehrere Löcher auf und die Schulbänke waren wurmstichig. Nachdem die Kinder mit Reisigbesen den gröbsten Schmutz beseitigt hatten, konnten die Untersuchungen beginnen. Mangelnde Englisch-Kenntnisse und Lesefertigkeiten erschwerten diese. Die überwiegende Zahl der kleinen Patienten stammte aus einer Klasse mit sehbehinderten Schülern. Entsprechend lange und aufwändig gestalteten sich die Untersuchungen. Vielen der Kinder konnte geholfen werden, so dass sie mit einer deutlich verbesserten Sehschärfe auch besser am Unterricht teilnehmen können.

Für den nächsten Tag war ein Einsatz in einer Integrationsschule auf einer etwa 2.000 m hoch gelegenen Hochebene vorgesehen. Auch in dieser landwirtschaftlich geprägten Gegend musste der Untersuchungsraum erst gefegt und hergerichtet werden. In der Katumba II Primary School werden behinderte Kinder unterrichtet. Zu den untersuchten Kindern zählten auch zwölf Albinos. Albinos werden in Afrika magische Kräfte nachgesagt, weswegen sie ausgegrenzt und benachteiligt werden. Neben Brillenanpassungen erhielten sie auch getönte Brillengläser, um Abhilfe gegen ihr stark ausgeprägtes Blendungsempfinden zu leisten. Die Gesamtzahl und Ausprägung der Sehbehinderungen an dieser Schule war enorm. In vielen Fällen kam die medizinische Hilfe zu spät.

Am Folgetag stand der Besuch der Songwe Sunrise Secondary School, die vor drei Jahren von dem Schweizer Church Adviser Reverent Marcus Rehner erbaut wurde. In dieser sehr modernen und sauberen Einrichtung zeigten die Schüler ein sehr hohes Bildungsniveau. Die meisten von ihnen verstanden Englisch, was die Verständigung sehr erleichterte. 65 der zuvor gescreenten Schüler wurden vorgestellt, von denen 42 einer Brille bedurften. Trotz der guten Vorbereitungen mussten die Untersuchungen an diesem Tag drei Mal wegen Stromausfällen unterbrochen werden.

„Wir sehen unserem nächsten Besuch schon sehnsüchtig entgegen“, fasst das augenärztliche Team von der Mittelmosel die sehr interessante und schöne Arbeitswoche zusammen. „Dann steht mehr Präsenz in der Klinik und möglichst auch operative Unterstützung auf dem Programm.“

Nächste Aktivität des Vereins mit Sitz in Traben-Trarbach wird eine erneute Teilnahme des Bernkasteler Teams um Dr. Thomas Schwarz an einem Cataract-OP-Camp in Namibia im August 2016 sein.

Weitere Infos unter www.kids-and-poors-eyes.de.



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